verwirrend !

meine kindheit ist gerade thema für mich:

einerseits sehr verwöhnt, andererseits überfordert, einerseits "höhere tochter", andererseits in gummistiefel mit opa im schrebergarten.
(beides genossen !)
die vornehme grossmama väterlicherseits, der erdige opa, ein eisenbahner, mütterlicherseits.
(beide geliebt, beide bewundert !)
der opa war immer da, zu dem lief ich nach der volksschule, fütterte seine hühner, zog mit ihm den handkarren, um holz aus dem wald zu holen und frisches gemüse aus dem garten neben dem bahnhof.
half ihm beim kochen, liess mir mit ihm lustige, ausgefallene namen für gute, einfache gerichte einfallen, sass mit ihm und omi am küchentisch, mochte die gabel mit dem holzgriff.
trug im sommer die kurzen lederhosen meines älteren bruders auf und war ein kleiner wildfang mit zöpfen.

grossmama wohnte 400 km entfernt, wurde in ihrem stadthaus mit garten besucht, und eine andere welt erschloss sich mir.
wie es sich für eine baronin gehörte, läutete sie dem mädchen um zu speisen. hob oft eine augenbraue wenn sie mich beobachtete , um mir dann freundlich zu zeigen "wie mans richtig macht."
ich trug dann das rote taftkleid, die haare in stoppellocken mit schleife, weisse strümpfe und schwarze lackschuhe.
ich mochte das polierte silberne besteck und war ein braves, anmutiges kind.
sehr selten kam sie auch zu uns auf besuch, lachte mit und wohl auch über opa, der ganz selbstverständlich wie immer war, genauso wie sie.
in diesen tagen war ich möglichst unsichtbar, entweder spielte ich mit unserem hund in der hintersten gartenecke oder ich bettelte so lange, bis ich bei meiner schulfreundin schlafen durfte.
meine eltern waren beschäftigt, mutti noch chicer als sonst, oper und burgtheater standen auf dem programm, der cobenzl, die landpartie nach gumpoldskirchen.
wo mein bruder in dieser zeit war weiss ich nicht. der kommt irgendwie nicht vor in diesem erinnerungs-segment.
bei ihrer abreise machte ich einen schönen knicks, wurde auf die stirn geküsst und roch ihr feines körperpuder.
das pendeln zwischen diesen unterschiedlichen welten beherrschte ich sehr gut, aber ich fühlte mich weder der einen, noch der anderen so richtig zugehörig.
nicht fisch, nicht fleisch.

bei tante madelaine und onkel lois auf ihrem gut, das sie bauernhof nannten, da war ich wirklich daheim. sie eine ausgebildete sängerin, ihr vater, den ich opapa nannte, ein ehemaliger kunsthändler, die mutter ein opfer des regimes im dritten reich. aus ihrer karriere als sängerin wurde nichts. onkel lois war erster geiger im innsbrucker stadtorchester und verlor in den letzten tagen des 2. weltkrieges seinen linken arm.
opapa besass im wienerwald in einem naturschutzgebiet bei pressbaum 7 ha grund und ein klassizistisches landhaus für den sommer. dort zogen sich die beiden zurück, nicht mehr ganz jung, tante madelaine geschieden, onkel lois jünger als sie und ledig. sie heirateten, bauten dazu und versuchten sich in landwirtschaft. sehr erfolgreich übrigens. ich wich ihnen als kind kaum von der seite, fasziniert von den versuchen, wie und womit der lebensunterhalt gesichert wird. sie probierten viel, lernten aus büchern und gaben nie auf. nach der phase der schafe, der truthähne, den schweinen, landeten sie schliesslich bei der aufzucht von kälbern. fütterten die tiere biologisch, tante madelaine übte arien beim melken, onkel lois mit seinem absoluten gehör feilte an jedem ton, während er die heugabel schwang. sie stritten viel, versöhnten sich immer dramatisch, lachten gerne.
wenn onkel lois in depressionen verfiel schickte ihn tante madelaine für ein paar tage nach tirol, er kam immer sehr bald zurück, brachte ihr ein geschenk mit und der ganz normale wahnsinn begann von vorne.
sie liebten einander sehr.
nach der stallarbeit und dem bad wurde immer im salon klassische musik gespielt. freunde von den philharmonikern kamen manchmal mit ihren instrumenten auf besuch, es wurde diskutiert und musiziert.
unvergessliche kaffeejausen unter dem grossen kirschbaum, die kühe auf der weide, die hunde, die katzen, das alte geschirr, die zimtschnecken...

ich wundere mich nicht, so anders zu sein, so ... dazwischen, so mal so und mal so, ich habs gut hingekriegt, keine frage. aber oft tu ich mir schwer meinen platz zu finden, mehr als das beste daraus zu machen ist ja nicht möglich.

und von meiner lieblingstante trudi erzähle ich ein anderes mal.
steppenhund - 26. Jan, 21:55

Wie schön! Natürlich mag ich den Teil mit der klassischen Musik am liebsten. Aber auch der Rest ist mir nicht gänzlich fremd.
Nett wäre ein Bild aus jener Zeit.
Die Musik, die mir dazu spontan einfällt:

datja (Gast) - 26. Jan, 22:58

@ steppenhund

dachte ich mir, dass dir manches bekannt vorkommt.
danke für die musik. ja, passt voll.
!!!
wg foto bitte ich um etwas geduld.
als DAU (dümmster anzunehmender user) brauch ich hilfe. ich weiss WER, ich weiss WO, ich weiss aber noch nicht WANN.
will aber eh allerhand alte fotos in meinem kastl haben...
schneck08 - 26. Jan, 23:42

das klingt ziemlich traumhaft. besser kann mans wohl kaum erleben? denn die >eigenen plätze sich zu finden, das ist ja eh immer eine ganz andere sache. auch bei mir dabei übrigens der wunsch nach bildern...! (die ich beim lesen gerade sehr wohl mir vorstellte...) ;-)

datja (Gast) - 27. Jan, 00:53

@schnecko8

traumhaft - oh ja.

aber: die einsicht, der mütterlichen liebe und anerkennung hinterherzurennen kam spät. (die chice, aber letztlich frustrierte edel-tussi)
sehr spät.
ich dodl-In suchte eben nicht nach einem mann, der meinem vater ähnlich ist. sondern...

is a so.

humor ist, wenn man trotzdem lacht.
das tu ich.

gscheit sein is auch manchmal blöd.
bonanzaMARGOT - 27. Jan, 12:29

wirst wohl ein schillerndes huhn geworden sein, ziemlich eigenwillig aber auch liebenswert.
kindheitserinnerungen kommen ab der lebensmitte immer häufiger hoch. sie sind der fluchtpunkt, aus dem heraus sich der raum des lebens aufbaute. es ist schon ein wunder, dass alles sich zu einer biografie zusammen fügt.
wo ist das kind, das wir mal waren? spricht es noch? singt und träumt es noch? liebt es noch?

schillerndes huhn (Gast) - 27. Jan, 20:21

@bonanzamarot

genau.
ich hab überhaupt kein problem damit, das kind von damals auch heute noch zu leben!
das kann ich sogar ausgezeichnet.
macht mir auch spass.
nur die strengen gesellen, die wollen mich dann gleich in die ecke stellen.
die wundern sich dann wie sperrig ich werden kann.

und danke für die '"lebensmitte !"
le chaim, auf 120 !
bonanzaMARGOT - 28. Jan, 15:51

charmant wie immer:

bei der lebensmitte meinte ich eigentlich mich. nichtsdestotrotz gönne ich dir noch viele viele glückliche lebensjahrzehnte.

werden die strengen gesellen nicht schnell weich bei dir?
datja (Gast) - 28. Jan, 23:24

@bonanzamargot

die strengen gesellen habens bei mir schon schwer.
(wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt !)
manche brauchen bissi länger bis sie weich werden, weil ichs anstrenend finde den zeigefinger zu erheben.
dann aber...
meine geduld ist nämlich ziemlich gross. in echt.
und:
ich brauch schon deshalb noch mehrere gute jahre, weil ich UNBEDINGT den schwarzen stock mit dem silbernen knauf schwingen will... ;)
aber dazu bin ich (noch) zu jung.
Elisabetta1 - 27. Jan, 19:06

das ist der stoff...

.... aus dem bestseller geschrieben und filme gedreht und dann mit einem *oscar* gekrönt werden!!
wunderbar zu lesen, die eigene phantasie angeregt, träumt man sich in dieses *volle* leben...
liebe grüße

datja (Gast) - 27. Jan, 20:27

@elisabetta

findest du ?
dann würd ichs gern als komödie anlegen, mit ernsten sequenzen dazwischen.
schon wegen der späteren jahre.
es gibt da ein paar schmankerln. solche und solche.
werde bei nächster gelegenheit über die besetzung nachdenken. ;)
zwitscherbirdie - 27. Jan, 20:58

Auch jemand, der dies als Lebensthema hatte: Nikos Kazantzakis ("Rechenschaft vor El Greco")

@zwitscherbirdie (Gast) - 28. Jan, 08:57

danke für den tipp !
dieses buch habe ich noch nicht gelesen.
interessiert mich natürlich.
datja (Gast) - 28. Jan, 08:58

korrektur: soll heissen datja

...@zwitscherbirdie !
zwitscherbirdie - 28. Jan, 12:01

:)

Es ist kein feministischer Text. Auch kein Macho-Machwerk. Es ist die facettenreiche Auseinandersetzung des Schriftstellers mit seinem Leben und dessen Wurzeln.

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